Die Pferdezucht steht vor schweren Herausforderungen: Ein Markt, der Spitzenqualität teuer bezahlt, aber schon für etwas geringere Qualität kein Geld mehr ausgeben will, enorme Preissteigerungen in allen Bereichen – nur nicht bei den Verkäufen – und vor allem eine Globalisierung bzw. Internationalsierung der Konkurrenzsituation, von der noch vor wenigen Jahren niemand etwas ahnen konnte. Ein Referent, der wichtige Botschaften zu diesem Thema hatte, sprach bei der Jahreshauptversammlung des Pferdezuchtvereins Fallingbostel: Dr. Thomas Nissen, Zuchtleiter des Holsteiner Verbandes.
Hodenhagen (rh). An den Anfang seiner Ausführungen stellte Dr. Nissen ganz allgemeine Trends in der Pferdezucht: Den Verlust von Traditionen, den Rückzug des Staates aus der Zucht, die starke Individualisierung der Züchterschaft und der Einfluss von (zu viel) Kapital auf die Pferdezucht. Vor diesem Hintergrund stellte der Zuchtleiter des wohl erfolgreichsten Springpferdeverbandes der Welt die Fragen: „Wo bleibt eigentlich in Zukunft der Zuchtverband, wie erhalte ich die Ursprungs- bzw. Reinzucht, ist Kreuzungszucht das Ziel – und was wollen die Züchter eigentlich?“
Die Antwort für die Zuchtverbände könne nur lauten: gute Zuchtprogramme anbieten, ernsthafte Selektion betreiben, aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse umsetzen und an neuen Verkaufskonzepten arbeiten. In diesem Zusammenhang fiel dann auch einer der wichtigsten Sätze von Dr. Nissen an diesem Abend: „Nur über die Marke gelingt es, Identifikation zu erhalten – und dafür müssen wir alle Kraft aufbringen.“ Im Umkehrschluss steckte darin auch die Antwort auf die Frage, ob Kreuzungszucht das Ziel sein könne, so wie sie die Holländer mit atemberaubendem Erfolg betreiben.
Die Antwort lautete klar „nein“, denn Ursprungszuchten wie Hannoveraner bzw. Reinzuchten wie Holsteiner und Trakehner hätten nur die Chance zu überleben, wenn sie ihre ureigenen Hengstlinien erhielten bzw. die Stutbücher vor (zu viel) Fremdblut schützten. Dazu passt übrigens auch die vom Hannoveraner-Verband erlassene Leitlinie der „Identifikation“ bzw. Zuchtprogramme wie die „G“-Initiative, die Dr. Nissen zwar nicht direkt kritisierte, aber immerhin kritisch anmerkte, dass es seine Gründe hätte, wenn bestimmte Linien in den Hintergrund rückten. Für diese Bemerkung bekam er aus dem Publikum allerdings nur Applaus von einem Zuhörer.
Etwas in den Hintergrund traten angesichts des hochkarätigen Referenten an diesem Abend die Regularien des Pferdezuchtvereins Fallingbostel. Der Vorsitzende Jürgen Rump erinnerte an den Tod des „Grethemer“ Hengstes Warkant, nannte die erfolgreichsten Pferde, die aus Züchterställen des Vereins stammten, gratulierte Heinrich Bohm und Thorsten Hogrefe zu ihren Schauerfolgen im vergangenen Jahr und auch den erfolgreichsten Auktionsbeschickern, allen voran Monika Ahlers.
Höhepunkt neben der Verleihung der Stallplaketten und der Ehrenurkunden für Staatsprämien-Anwartschaften war die Ehrung einer besonderen Züchterin mit der goldenen Züchterplakette der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. In diesem Jahr wurde Gisela Appelkamp ins Rampenlicht gerufen. Sie stellte im Laufe der Jahre mehrere Abteilungs- und Stutenschau-Siegerinnen sowie Siegerfamilien und insgesamt sieben Staatsprämienanwartschaften. Sportpferde aus ihrem Stall sind in Europa und in den USA erfolgreich.