Hoch hinaus: Diathletico aus der Zucht von Wilfried Griesbach gehört zum Springvererbernachwuchs des Landgestüts Celle. Foto: Landgestüt Celle
Neustadt. Wenn Grundfunktionen der Gesellschaft und große Teile des Wirtschaftslebens wegen der Corona-Pandemie nur noch eingeschränkt stattfinden können, dann geraten Hobbys und ehrenamtliche Tätigkeitsfelder völlig an den Rand der Wahrnehmung. Der regionalen Pferdezucht und ihrer Betreuung im Pferdezuchtverein geht es nicht anders. Angesichts der weiter geltenden Maßnahmen und des langen Lockdowns sagt der Vorsitzende des Pferdezuchtvereins Aller-Leine: „Langfristig wird es schwer, ein Vereinsleben unter diesen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Die Stimmung im Verein leidet enorm. Denn die Pferdezucht lebt von den Begegnungen und dem direkten Austausch der Züchter untereinander. Der züchterische Unterbau leidet sehr“, fürchtet Rump auch Langzeitfolgen.
Die Pferdezuchtvereine und Bezirksverbände seien durch die Pandemie quasi „ausgeschaltet“, die „obere Stufe des Verbands“ halte die Funktionen aufrecht, im vergangenen Jahr habe es Stutbuchaufnahmen, Stutenleistungsprüfungen und in deren Rahmen Verbandsprämien-Vergaben gegeben; auch die Vermarktung in Verden sei unter den gegebenen Umständen erfolgreich weitergeführt worden. „Das Treffen der Spezialisten findet noch statt, aber der bodenständige Aufbau der Pferdezucht fällt aus“, bedauert der langjährige, frühere Verbandsvize.
Dennoch ließ er es sich nicht nehmen – wie jedes Jahr – die Erfolge der Pferde und Züchter seines Vereins zu bilanzieren. Obwohl es auch weniger Turniere gab und Sporterfolge deshalb sehr viel geringer ausfielen. Beim Schaugeschehen stand im vergangenen Jahr die Verbandsschau in einem besonderen Mittelpunkt, weil sie die einzige war, die stattfinden konnte. Dort schaffte es die Fürstenballtochter Feuer und Flamme von Monika Ahlers auf den Endring der Siegerstuten, „ein toller Erfolg“, so Jürgen Rump. Die Springstute Caramba von Casallco aus der Zucht von Cord-Hinrich Backhaus belegte in der ersten Abteilung den dritten Platz. Und zwei weitere Stuten aus den Züchterställen im Aller-Leine-Tal landeten im Mittelfeld: Florida Lady von Floriscount aus der Zucht von Sabine Neubert und Rebellion von Revolution aus der Zucht von Volker Dusche und Leonie Bramall.
Besonders gut schlugen sich Zuchtprodukte der Aller-Leine-Tal-Züchter im internationalen Sportwettbewerb: „Wir hatten noch nie so viele Pferde, die so erfolgreich waren“, fand der Vorsitzende heraus, der für alle Disziplinen die Weltranglisten durchforstete. Dort fand er „Salt´n Pepper“ von Stolzenberg (Züchter Heinrich Zettel, Büren), Diaraba von Diarado (Heinrich Bremer, Nöpke) und vor allem den gegenwärtig wohl erfolgreichsten Springvertreter des Zuchtgebiets, „Count me in“ von Count Grannus (Friedrich Lüssmann, Stöckendrebber), der gerade unter der Kanadierin Lisa Carlson einen Großen Preis über 1,55 Meter gewonnen hat.
In der Dressur fiel besonders der Wallach Denzel von Don Frederico aus der Zucht von Jörg Döpke, Langenhagen, auf, der sich seit vier Jahren unter den 300 besten Dressurpferden der Welt befindet. In der Vielseitigkeit landete die Stute Keep Kitty von King Kolibri aus der Zucht von Claudia Mohlfeld, Ahrsen, auf Rang 166 der Weltrangliste. Die Stute Ilara von Inliner (Züchterin Tanja Weber, Rödershöfen) schaffte es auf Platz 543 (deutsche Rangliste Rang 78), wobei hier eine Besonderheit zu erwähnen ist: Ilara wird geritten von der Tochter der Pferdezuchtvereinsmitglieder Susanne und Enno Reinstorf. Paula Reinstorf belegte mit der Stute im vergangenen Jahr den sechsten Platz bei den Deutschen Meisterschaften und errang erste internationale Platzierungen, unter anderem in Polen. National fielen folgende Dressurpferde und Züchter noch auf: Lagerfeld von Londontime, Zuchtgemeinschaft Bünger, Essel, Platz 32, Leidenschaft von Londontime, Gerd Volbers, Stillenhöfen, Platz 38.
Bei den Hengsten schaffte es erneut Thorsten Hogrefe (Stöcken), dass aus seiner Zucht ein Hengst gekört wurde (WZ berichtete). Diathletico aus der Zucht von Wilfried Griesbach (Otternhagen) hat mittlerweile eine gute Prüfung abgelegt und gehört zum Bestand des Landgestüts. Er repräsentiert einen der besten Springstämme des Vereins. Dietmar Busching (Wettmar) lieferte ebenfalls einen Springhengst (von Diacontinus-For Pleasure), er wurde in Neustadt/Dosse als Prämienhengst gekört und dort verkauft.
Die Vermarktungsaktivitäten des Verbandes in Verden liefen fast ausschließlich als Online-Auktionen. Der Not gehorchend entwickelte sich dieses Format wider Erwarten gut und verhalf manchem Aller-Leine-Tal-Züchter zu einem Verkaufserfolg. Aus der Zucht von Horst Hestermann (Hollige) stammte ein Wallach von Danone-Hohenstein, der auf der Auktion in Medingen für 310.000 Euro versteigert wurde. Insgesamt wirke sich die Pandemie nicht unbedingt negativ auf den Pferdemarkt aus, glaubt Jürgen Rump. „Gerittene Pferde werden gesucht. In der Krise sucht der Mensch offensichtlich die Nähe zu einem Lebewesen.“