Vom Ausverkauf der eigenen Zucht an ausländische Großeinkäufer über den Verlust an Identität durch die direkte Mitgliedschaft von Ausländern bis hin zur unübersichtlichen Ausdehnung des inländischen Zuchtgebietes – die durch den Strukturwandel hervorgerufenen Ängste sind in den traditionellen Pferdezuchtvereinen des Verbandes Hannoverscher Warmblutzüchter sehr groß. Deshalb war auch eigens der neue Zuchtleiter und Geschäftsführer des Verbandes, Dr. Werner Schade, Gast beim Pferdezuchtverein Fallingbostel, um über das Thema „Chancen und Risiken der Züchter im Kernzuchtgebiet“ zu sprechen.
Norddrebber (rh). Um es vorweg zu nehmen: Der neue Chef des Verbandes sieht in der verantwortungsvollen Neuausrichtung die einzige Chance, dem Struktuwandel auf allen Ebenen zu begegnen. „Was wäre die Alternative? Sollen wir uns verbarrikadieren?“, fragt er sich und seine über 100 Zuhörer, „wenn wir uns dem Ausland verschließen, wie soll es dann weitergehen? Wie wollen wir dann rechtfertigen, dass es eine Zukunft gibt?“
Die Fakten sprechen für sich: Gegenwärtig exportiert der Verband rund 50 Prozent seiner Auktionsverkäufe, „von der Wüste bis nach Sibirien.“ Längst hat der größte Pferdezuchtverband der Welt (15.000 Mitglieder; knapp 20.000 eingetragene Stuten) Auslands-Tochterverbände bzw. Organisationen, die in ähnlicher Weise kooperieren. Dabei sei immer wieder festgestellt worden: „Dort, wo unsere Hannoveraner gezüchtet werden, sind wir auch stark im Absatz.“
Mit anderen Worten: Ausländische Mitglieder sind auch Kunden, die in Verden kaufen – oder sie wecken zum Beispiel in Übersee durch die dort gezüchteten Hannoveraner Begehrlichkeiten, was Auktionsbesuche von Landsleuten zur Folge hat. „Wo unser Brand präsent ist, werden wir unseren Markt vergrößern, wenn wir dort auch die Züchterschaft vergrößern“, betonte Dr. Schade die Bedeutung einen bislang wenig beachteten Zusammenhangs.
Ein anderes Thema ist die sogenannte bundesweite Anerkennung von Zuchtverbänden – eine Art Globalisierung der Mitgliedschaft: Zukünftig wird es möglich sein, dass Pferdezüchter zum Beispiel aus Bayern oder Baden-Württemberg theoretisch auch Mitglied im Verband Hannoverscher Pferdezüchter werden können – vorausgesetzt, der Verband lässt sich bundesweit anerkennen. Das hätte unter Umständen zur Folge, dass das „Kernzuchtgebiet“ an Bedeutung verliert und die Konkurrenz der Züchter untereinander wächst.
Aber auch bei diesem Problem wies Dr. Schade darauf hin, dass es fast keine Alternative gibt, als „mitmachen, um den Prozess auch gestalten zu können.“ Andernfalls gehe die Entwicklung irgendwann an Hannover vorbei: „Weisen wir diese Leute ab, werden sie Mitglied bei den Mitbewerbern – und sind sie das erstmal, dann kaufen sie auch ihre Pferde woanders.“
Dr. Schade gab die Devise aus: „Einstieg in den Markt über engagierte Züchter“ und forderte dazu auf, diesen Prozess optimistisch zu betrachten: „Im Ausland wie im Inland gibt es unerschöpfliche Märkte mit hoher Kaufkraft.“ Zum Schluss richtete er ein lobendes Wort direkt an den fast 300 Mitglieder zählenden Pferdezuchtverein Fallingbostel: „Vereine wie Ihrer werden keine Probleme bekommen, Sie besitzen eine aktive und starke Basis.“